Superlevel: Pitiri 1977

Neu auf Superlevel: Die Rezension zu Pitiri 1977, dem ersten (durchaus beachtlichen) Spiel des bisher unbekannten Designers Jürgen Brunner:

Es ist 1977, Led Zeppelin scheppern blechern aus dem Radio und der kleine Bruder wird vom Weltraumtentakelmonster entführt. Der Protagonist hüpft mit Doppelsprüngen los, um den Bruder aus Alienhändern zu befreien. [Link]

ZEIT: Star Wars: The Old Republic

Nach kleiner Winterpause (ähem) wieder zurück zum Nicht-Gewinnspiel-Artikel-schreiben zurückgekommen. Für die ZEIT gibt es eine Rezension von mir fürs überraschend gute MMO Star Wars: The Old Republic:

Wer einige Zeit auf dem deutschen Rollenspielserver Vanjervalis Chain verbringt, wird merken, dass sich die Konzentration auf das Geschichtenerzählen gelohnt hat. Auf der Heimatwelt der Sith, dem verregneten Dschungelplaneten Dromund Kaas, diskutieren Spieler und Spielerinnen nicht nur über aktuelle Aufgaben, sondern auch über die Philosophie der Sith und der Jedi. [Link]

Stray Observations:

  • In den Kommentaren “tobt” gerade eine Diskussion darüber, ob Spiele wie TOR es nicht zu weit treiben mit der Gewalt, immerhin sei es möglich, über Leben und Tod von unschuldigen Spielfiguren zu entscheiden. Ich finde nicht. Ich kann Spielen wie dem (Singleplayer) Call of Duty kaum etwas abgewinnen, TOR hat aber dank Bioware einen durchaus differenzierten und kritischen Blick auf menschen/alienverachtende Handlungen. Sprich: Für mich fühlte sich es nicht gut an, im Spiel “böse” zu sein. Eher im Gegenteil.
  • Ich finde TOR äußerst spannend, es ist nämlich – wenn man es genau nimmt – ein Bioware-Rollenspiel, das es sich traut Geschichten zu erzählen über Helden, die eben nicht immer das gesamte Universum retten müssen. An Dragon Age: Origins fand ich z.B. die rassen- und klassenspezifischen Anfangsquests am Spannendsten, die mit globaler Monsterbekämpfung weniger zu tun hatten als mit persönlichen Problemen und kleinen Abenteuern. The Old Republic lässt mich ein ganzes, riesiges Rollenspiel lang, ein Frontsoldat sein oder ein Schmuggler, oder einfach nur ein Kopfgeldjäger – und kein vom Schicksal auserkorener Retter des Universums. Das ist charmant!
  • Es gibt kein Speichern/Laden! Entscheidungen, die man im Spiel trifft, sind größtenteils permanent. Das schafft Bindung an den Charakter. Ich finde es allerdings fast schade, dass die Entscheidung zwischen Heller/Dunkler Seite der Macht auch spielmechanische Vorteile hat (es gibt Gegenstände, die nur von guten/bösen Charakteren benutzt werden können). Die Unterschiede auf eine rein narrative Ebene zu legen, hätte für mich mehr Sinn gemacht.
  • Ich spiele zurzeit auf dem Server Vanjervalis Chain mit dem Charakter “Bronsky”, einem Sith-Inquisitor. Sagt doch mal Hallo!

 

 

TITEL: Skyrim-Tagebücher

Aufgrund von Finnisch-Klausuren (argh) und Weihnachtspackkram kaum dazu gekommen, aber: Die letzten vier Wochen habe ich über Skyrim geschrieben. Entstanden sind dabei eins zwei drei vier Tagebucheinträge, die über meine Zeit mit diesem wundervollen, sonderbaren Spiel erzählen.

Ich weiß immer noch nicht genau, was Skyrim für mich bedeutet. Skyrim ist für mich in erster Linie ein Videospiel und zwar eins, das nur sehr mäßig verdeckt, dass es eins ist. Ich fühle mich nicht, als wäre ich “tatsächlich” in der Welt unterwegs oder würde Drachen bekämpfen, dazu ist es viel zu offen, was seine Mechaniken angeht. Aber es ist fantastisch als ein Spiel, als ein großer, bunter, verschneiter Abenteuerspielplatz voller unterhaltsamer Geschichten.

Teil 1:

Weit erstreckt sich Skyrims Skybox. Ein wunderschön funkelnder Sternenhimmel und zwei riesige Monde (in meinen Notizen liest sich das dann so: »der Mond! DER MOND!«). Ich habe die Zeit vergessen. Knives stolpert den Berg herunter und findet alte Mammutknochen, es ist still und nur ein paar Füchse huschen Richtung Fluss. Müde schieße ich einen Pfeil ab, um zu sehen was passiert. Das Tier läuft davon. Jagen mit Pfeil und Bogen ist furchtbar schwer und noch hatte ich nicht den Geistesblitz, dass Zaubersprüche das Konzept der Jagd völlig verändern. Ich habe keine Ahnung wo ich bin, und ein bisschen ist es auch egal.

Teil 2:

Zu keinem Zeitpunkt nimmt mich Skyrim an die Hand oder weist mich auf den richtigen Weg hin. Es gibt ein Ziel und nicht viel mehr. Als wir wieder vom Berg hinuntersteigen, merke ich, dass der richtige Pfad  auf einer Nebenstraße in Ivarstead beginnt. Ich hab ihn bloß nicht gesehen und Skyrim mich nie korrigiert. Warum sollte es auch? Verirrte Abenteurer kann man so viel besser ablenken.

Teil 3:

Draußen sehe ich, wie die Meute über den Anführer der Silver-Bloods herfällt. Als die Sonne über Markarth aufgeht, steht niemand mehr. Die korrupte Stadtwache, der Silver-Blood-Clan und die »Forsworn«, sie alle haben verloren. Und ich ziehe weiter.

Teil 4:

Ich bekomme einen Platz im geheimen Hauptquartier in der Kanalisation Riftens, eine schicke Uniform, Aufgaben und Kollegen, die sich schon mal knöcheltief ins Kanalwasser stellen, um über den letzten Einbruch zu plaudern, den sie sowieso unmöglich hätten verüben können, weil sie nie das Hauptquartier verlassen. Aber der Ort an sich ist hier wichtiger als die Maschinenwesen, die ihn füllen. Wenn Skyrim ein Abenteuerspielplatz ist, dann sind die Gilden Baumhäuser.

Superlevel: Sideway(tm) New York

Am Sonntag online gegangen: die Rezension zum Street-Art-Plattformer Sideway New York, das als Plattformer überzeugt, als Spiel mit Street-Art-Thema aber überhaupt nicht. Vermutlich würde es sich lohnen was über Bogost und procedural rhetoric zu sagen, ich lass es aber einfach mal:

Während es bei Street Art darum geht, ein Zeichen in der Öffentlichkeit zu hinterlassen, lässt Nox alles so wie er es vorgefunden hat. Machtlos läuft er an den zahlreichen Skullcandy-Schriftzügen vorbei und sprüht seinen Namen mit maschinengenauer Präzision an Speicherpunkte, die bezeichnend mit “Spray” markiert sind. Bitte sprühen sie hier! [Link]

ZEIT: Digitale Distribution

Ich habe für die Zeit über digitale Distribution für PC-Games, genauer: über Steam und Origin geschrieben.

Bis jetzt waren die Versuche vor allem der großen Publisher wenig erfolgreich. Ubisofts Ubishop wird wegen seines drakonischen Kopierschutzes kritisiert. Über die Zukunft von Games for Windows Live, das laut Microsoft-Manager Kevin Unangst bereits im März endlich seinPotenzial als Steam-Alternative hätte ausschöpfen sollen, macht Microsoft im Moment auch auf Anfrage keine Angaben mehr. Genauso wie auch für soziale Netzwerke gilt für digitale Spiele-Distribution: Kaum ein Spieler braucht viele unterschiedliche Plattformen, die sich nur in einigen Punkten voneinander unterscheiden. [Link]

Leider hat sich beim Redigieren von der Zeit-Online-Redaktion direkt im zweiten Absatz ein dicker Fehler eingeschlichen, den ich erst gestern bemerkt habe:

Der Vorteil ist, dass die Games damit von der Hardware unabhängig werden. Es spielt keine Rolle mehr, ob man einen Mac oder einen PC nutzt, jeder kann die Spiele laden.

Das ist natürlich falsch. Sowohl Steam als auch Origin haben bis jetzt nur beschränkten Support für Linux oder OSX. Ich vermute, dass der Satz ursprünglich eher als Zusatzinformation weiter unten hingehört hat, wo ich über Cloud Gaming Services wie OnLive oder Gaikai schreibe. Kann vorkommen, auch wenn die typisch wütenden, grummeligen Kommentatoren die Fäuste schütteln und meine Kompetenz in Frage stellen. Ich hoffe, die Redaktion wird den Fehler nochmal korrigieren. Bis es soweit ist könnt ihr die Original-Version des Artikels nach dem Break lesen. (Und vielleicht ist das für den einen oder anderen auch ganz spannend zu sehen, wie sich Artikel von der Ursprungsversion zur veröffentlichten Fassung verändern).

Edit 26.10.11: Der Artikel wurde inzwischen korrigiert. Hurra!

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TITEL: The Binding of Isaac

Ich war die letzten Tage ein wenig sehr mit einem Feature für die nächste Gamestar beschäftigt, dafür gibts jetzt aber endlich was über The Binding of Isaac beim TITEL:

The Binding of Isaac fühlt sich an, wie eine mit Stacheldraht umwickelte Schatzkiste, eine Pralinenschachtel mit 9 Stückchen Zyankalikonfekt und einem dicken Nougatbonbon. [Link]

Ansonsten gibts heute übrigens auch noch einen sehr guten Artikel von Rudolf Inderst zu Gears of War 3 und dem Fall der Industriegesellschaft. Lesen!

Ersteindruck: The Binding of Isaac

Super Meat Boy Erfinder Edmund McMillen hat ein neues Spiel gemacht! Ein Action-Roguelike-Dings namens The Binding of Isaac mit Weirdness-Faktor auf 11 und (der Titel sagt es schon) religiösen Untertiteln Das Ganze läuft diesmal nicht unter dem Team Meat Label, weil Partner Tommy Refenes schonmal am nächsten Spiel herumexperimentiert. Ich habe mir gestern The Binding of Isaac ein wenig angeschaut, und das sind meine Eindrücke (mehr dazu gibts dann hoffentlich nächste Woche beim TITEL-Kulturmagazin):

  • The Binding of Isaac ist ein verdammt schwieriges Action-Spiel in der Tradition von Roguelikes. Spieler steuern Isaac, einen kleinen nackten Helden, der von seiner religiösen Mutter in einen mit Monstern vollgestopften Keller treibt, um ihn an Gott zu opfern. Wink Wink Nudge Nudge. Isaac läuft von Raum zu Raum, kämpft gegen Monster und stirbt (wie auch in Super Meat Boy) viele, viele Tode, die diesmal ganz besonders schmerzen.
  • Weniger Wink Wink: Isaac wehrt sich gegen die fiesen Viecher indem er mit Tränen um sich schießt und Bomben wirft. In diesen Momenten ist Isaac deutlich inspiriert von Zelda…wenn die Monster in den Zelda-Spielen unglaublich beängstigende Höllenviecher wären.
  • Jeder Raum ist zufällig generiert und bietet unterschiedliche Belohnungen: ein drittes Auge, um mehr Tränenflüssigkeit zu schießen, ein tote Katze für 9 zusätzliche Leben, rote Pumps, um schneller zu laufen. Viele Gegenstände verbessern Isaac und modifizieren sein Aussehen. Das Problem: stirbt Isaac ist alles weg und das Spiel beginnt von vorne.
  • Das Roguelike-Prinzip macht Isaac zu einem äußerst spannenden Action-Spiel über die Spannung zwischen Risk/Reward: jeder Raum bietet potentielle Belohnungen, aber auch die Möglichkeit überfüllt zu sein von gehirnfressenden Todeszombies, an denen Isaac scheitert.
  • Großartig an Isaac: Jeder Gegenstand (seien es die Pumps, das Doktor-Diplom, oder der Dynamit-Gurt) werden am Charakter dargestellt. Ich möchte weiterspielen, um zu sehen, wie sich Isaac noch verändern kann. Das ist genau die Sache, die ich am ebenfalls tollen Dungeons of Dredmor bemängelt habe. Isaac wird dadurch immens motivierend.
  • The Binding of Isaac konzentriert sich somit fast komplett auf Charaktererstellung, weniger auf die Entdeckung der Welt (zumal auch noch die Einzigartigkeit jedes Isaacs durch roguelike-typisches Permadeath betont wird). Das funktioniert ausgezeichnet, so wichtig und stilprägend wie Super Meat Boy ist es natürlich nicht. Es ist ein kleines Spiel über das Entdecken von einzigartigen Artefakten und die visualisierte Reise des Spieler-Charakters. The Binding of Isaac hat klar abgesteckte Ziele und funktioniert ausgezeichnet in diesem Kontext.
  • Mit Edmund McMillen und Tommy Refenes habe ich übrigens für die aktuelle Ausgabe der Gamestar gesprochen, anschauen!
  • Spielen? Ja!

Intro: Bastion

Jetzt auch online bei der Intro, meine Rezension zu Supergiant Games wundervollem Bastion:

Mehr noch als der Erzähler sind es aber der fantastische Banjo-Soundtrack, das spaßige Kampfsystem und die überraschend ernste Story, die »Bastion« zu einem der schlicht besten Spiele des Jahres machen. [Link]

Stray Observations:

  • Bastion ist im Moment immer eines der interessantesten Spiel, das ich mir dieses Jahr angeschaut habe – und das trotz eigentlich recht simpler Spielmechaniken. Ich würde auch gar nicht sagen, dass Bastion Style over Substance demonstriert, eher, dass wenn das Spielprinzip nicht überladen ist, der Blick geschärft wird für den Rest. Die Musik, das Art Design, das Rumlaufen an sich. Sowieso: es macht Spaß einfach nur Sachen kaputtzuschlagen in Bastion.
  • Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Bastion das Ende verzeihe. Ein gutes Ende ist schwierig, verdammt schwierig (siehe Deus Ex: Human Revolution), die Wahl, die ich am Ende von Bastion treffe ist eine Sache über die es zu sprechen lohnt. Ein Ende fordert ein erneutes Durchspielen geradezu heraus, ein anderes nicht. Ich habe mich für letzteres entschieden – und so sehr ich Bastion nochmal spielen möchte, ich kann es nicht. Das ist natürlich sentimentalster Blödsinn, aber eben auch der Grund, warum ich das Ende in diesem Fall so unglaublich stark finde.
  • Ich kann kaum glauben, dass ich erst durch Twitter richtig verstanden habe, was Zia’s Song bedeutet. Ich bin ein wenig langsam.

Gamestar: Schwere Entscheidungen

Ich habe für die August-Ausgabe einen Gamestar-Report über das Design von Entscheidungen und Moral in Spielen geschrieben. Das Ganze gibts jetzt (endlich!) online:

Doch wie denken sich die Entwickler diese Entscheidungen aus? Und warum ist die Entscheidung, wer ein magisches Kind erziehen darf, dann doch wieder so schwierig? Keine Belohnung, keine große Moral, keine dramatischen Duelle, nur zwei Frauen, ein Kind und für den Hexer Geralt die Aussicht auf ein Leben nach der Monsterjagd. Warum schaffen es Spiele wie The Witcher, mich stutzig zu machen, zu unbequemen Entscheidungen zu zwingen? Und warum gehen die meisten Entscheidungen, die ich in anderen Spielen treffe, so leicht von der Hand? [Link]

Stray Observations:

  • Gesprochen habe ich dafür übrigens mit Casey Hudson, Executive Producer von Mass Effect 3, und mit Sebastian Stepien, dem Lead Writer von Witcher 2. Beide sehr interessant!
  • Ich wollte eigentlich noch unbedingt mit Andy Chambers, dem Autor von Star Craft 2 sprechen, das…haut aber irgendwie nicht hin. Blizzard ist nicht so leicht zu erreichen. Hrm!
  • Rausgekürzt habe ich eine Passage, wo es um Aristoteles und die Nikomachische Ethik ging. Am besten erklärt vom Philosophy Bro.
  • Inspiration für den Teil, in dem es um StarCraft 2 ging war natürlich ein Artikel von Alec Meer.
  • Wie großartig ist denn bitte Witcher 2?
  • Mit Gamestar arbeiten ist übrigens äußerst angenehm und eine Wertung musste ich auch nicht abgeben (höhö).
  • Wie ich heute erfahren habe, kommt der Beitrag auch in einer kommenden Making Games Ausgabe.
  • Kleiner Nachtrag zur Spielekritik-Debatte:

    Bei Deutschlandradio gab es einen unglaublich interessanten Beitrag über Popjournalismus und Musikkritik. Im Sinne von: „die Popkritik hat ihre Relevanz verloren, wie gehts weiter?“ Da gab es dann Interviews mit vielen Bloggern, Musikjournalisten und Kritiken. Die „Debatte“ ähnelt aber tatsächlich sehr stark der um die Relevanz der Spielekritik. Laut Deutschlandradio hat die Musikpresse das Heft an die Zeitungsredaktionen, v.a. im Online-Bereich, abgegeben.

    Während Musikmagazine eine beträchtliche Seitenzahl darauf verwenden müssen, die neuesten Künstler kurz vorzustellen und sie dabei auch noch abfeiern müssen (Werbepartner und so), konnten Zeitungen frei vom Abhängikkeitsverhältnis zur Musikindustrie ein spannendes Pop-Feuilleton aufbauen.

    Seit Jahren fordern kritische Geister, der Musikjournalismus müsse sich erneuern, wolle er seine Relevanz zurückerobern. Fundierte Popkritik sei in den letzten Jahren ersetzt worden durch Service. [LinkPDF]

TITEL: Deus Ex und Manifestos

Heute morgen online gegangen: meine Deus Ex: Human Revolution Rezension beim TITEL:

Achtet man aber ein wenig mehr auf die Gespräche, so merkt man schnell, dass die schnelle Pheromon-Lösung zur Krücke wird. Der Spieler verlässt sich statt auf menschliche Intuition auf die sichere Maschinenlösung. Ein Gespräch ohne detaillierte Persönlichkeitsanalyse? Niemals! Schritt für Schritt wird der Wert des Spielers so gemindert. Wer spricht da noch? Adam Jensen oder die Maschine in seinem Kopf? [Link]

Und dann kritisiert gleichzeitig Ex-Gamestar Chefredakteur Christian Schmidt auf Spiegel.de in einem Artikel anhand der Deus Ex Kritik die deutsche (Mainstream-) Games-Presse und unterstellt ihr Ideenlosigkeit, fehlenden Mut und eine gnadenlos engstirnige Perspektive auf Spiele. Es ist ein wenig ein Manifest geworden, was Christian Schmidt da geschrieben hat:

Eine relevante Games-Kritik, die Impulse setzen, Leser ansprechen und den Diskurs um das Medium Videospiel bereichern will, braucht eine neue Ausrichtung.

  • Sie muss aufhören, Spiele als Summe einzelner Teile zu begreifen. Sie muss ihren Blick auf das Ganze richten, den Kontext kennen und Einordnung geben.
  • Sie muss intelligenter werden, sie muss die Funktionsbeschreibung zurückschrauben zugunsten der Interpretation. Sie muss ihre funktionalen Urteile über Spiele ergänzen durch ökonomische, politische, ethische, künstlerische und gesellschaftliche Urteile.
  • Sie muss Plattformdenken ablegen und das Medium Spiel in all seinen Ausprägungen ernst nehmen.
  • Sie muss neue Erzählweisen finden; sie muss Geschichten über Spiele erzählen, nicht nur Geschichten aus Spielen.
  • Sie muss neue Themen aufspüren und journalistisch arbeiten, die muss Geschehnisse hinterfragen, recherchieren und eigene Gedanken entwickeln. Sie muss sich als Kontrollinstanz für ihre Branche verstehen, nichts als Erfüllungsgehilfe der Industrie.
  • Sie muss, kurzum, der Bedeutung des Mediums Videospiel Rechnung tragen. Dazu gehört, das engagierte Laientum, mit dem sie kokettiert, abzulegen und sich endlich zu professionalisieren. [Link]

Damit hat er nicht ganz unrecht, und damit steht er bei weitem nicht allein. Cue: die Kritik. Christian Schmidt bringe einen “ganzen Berufsstand in Verruf“, die Art Berichterstattung, die sich Schmidt wünscht, die sei einfach nicht gefragt und würde nur von einer kleinen Elite genossen werden. Die “Spieler”, die “Leser”, die “merkwürdigen Gestalten” da draußen vor den Bildschirmen, die wollen keine Analysen, die wollen nicht die Philosophie hinter Doom, sondern Babes-Gallerien und 100 Zeichen, die sagen sollen, ob Deus Ex jetzt der heiße Scheiß ist, oder nicht. Kurz: die Leser wollen Spaß, kein intellektuelles Gebrabbel.

Das ist Blödsinn. Das ist ein Mythos, “the average reader”, der Idiot, der eure Texte liest und sich doch lieber eine Klickstrecke wünscht. Ja, es gibt genug Leser, die das so in Ordnung finden und es gibt genug Leser, die einfach nur wissen wollen, wann denn Space Marine rauskommt (heute). Aber es gibt genauso viele Leser, die mehr wollen. Für die ein Artikel über Spiele nicht nur ein Artikel über das nette Freizeithobby sein soll, sondern einfach auch ein guter Artikel. Ein lesenswerter Artikel, keine Spekulation über wie viele Waffen ein Spiel hat, wie viele Zombie-Typen es abzuschießen gilt oder ob die Xbox oder PS3-Version besser aussieht.

Und dann schreibt Kieron Gillen, die Gallionsfigur des guten Spielejournalismus, einen Artikel auf Rock, Paper, Shotgun über Deus Ex der allen Schmidtschen Kriterien entspricht. Eine spannende Auseinandersetzung mit den Themen von Deus Ex und der persönlichen Geschichte des Autors. Ein fabelhafter Artikel, für jeden interessant, der sich auch nur ansatzweise interessiert für digitale Kultur, für DRM, für Sozialkritik und für Spiele.

Ein Nischenartikel für eine kleine Elite? Fast. Rock, Paper, Shotgun haben ca. 1,3 Millionen Leser im Monat. Ja, natürlich hat das damit zu tun, dass sie auf Englisch schreiben, der Lingua Franca des Web, aber auch damit, weil sie gut sind. Weil sie Autoren wie Kieron Gillen die Plattform bieten, intelligente Artikel zu schreiben, weil sie ihre Leser ernst nehmen, weil sie Meet-Ups organisieren, weil sie einen Dialog hinkriegen und neben Trailern, auch fantastische Analysen schreiben. Kotaku, die öfter über Cosplay-Babes und japanische Manga-Figuren schreiben als über Spiele, haben sich mit Kirk Hamilton einen der besten Autoren geleistet, die im Moment über Spiele schreiben und Kill Screen bleiben einfach konsistent gut – egal ob in Print oder im Netz.

Ist das auf Deutsch nicht möglich? Ist es doch. Ich bin mir sicher. Das intelligente Schreiben über Spiele darf nicht als prätentiöses Murmeln aus dem Elfenbeinturm verstanden werden, sondern als Dialog und Diskurs, an dem Leser Interesse haben, wenn da herausscheint: das ist jemand, dem ich zuhören will. Das ist jemand mit einer Meinung, keine Rezensionsmaschine, die Wertungen ausspuckt für Metacritic. Kieron Gillen ist so eine Person. Christian Schmidt auch. Wir sollten also genau hinhören.